Schwimmkurs für Flüchtlinge: Ziel ist das Seepferdchen
Keine Burkinis, keine Trennung zwischen Männern und Frauen. Glaubt man den Erzählungen, dann muss es am Badestrand der syrische Levante einmal "wie in Mallorca" gewesen sein. In der Zeit vor dem Bürgerkrieg, als sich keiner der Flüchtlinge vorstellen konnte, einmal an einem exotischen Ort wie dem Freibad des Schweinfurter Silvana zu landen, weit jenseits des Mittelmeeres.
"Aleppo? Ist kaputt" sagt ein Familienvater, einst Lastwagenfahrer, dessen Kinder hier an einem Schwimmkurs teilnehmen und blickt in den blauen Himmel. Eine afghanische Familie, junge Männer und Frauen aus dem Irak, Syrien oder Albanien schwimmen an diesem Vormittag gemeinsam im Freibecken.
Hilfen wie Schwimmbrett, Schaumstoff-Nudel und andere Hilfen erleichtern die Eingewöhnung ans kühle Nass. Auch die Rutsche zieht die Kinder zwischendurch ebenso magisch an wie das Azurblau.
Frank Warmuth schaut an diesem Vormittag für die Wasserwacht des BRK Schweinfurt vorbei. Die Wasserretter des Roten Kreuzes bieten in den Sommerferien Schwimmkurse für rund 60 Flüchtlinge und Asylbewerber an: insgesamt zehn Einheiten, jeweils eine Stunde lang. Es geht um Menschen unterschiedlichster Herkunft, die bereits eine Bleibeperspektive haben, dezentral oder in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind. Das Wohnheim in Hambach ist an diesem Tag gut vertreten.
Schwimm-Kurse für Heimatlose gibt es schon länger. Mittlerweile scheint die Flüchtlingsdebatte aber selbst ins Schwimmen zu geraten und strampelt gerade beim Thema "Kampf der Badekulturen" aufgeregt im Bodenlosen. Der Burkini etwa, ein chic verhüllender Schwimmanzug für Muslimas, erhitzt derzeit nicht nur in Südfrankreich die Gemüter. Im Schweinfurter Sport- und Freizeitbad wäre er erlaubt. "Kleiderschwimmen haben wir bei der Wasserwacht auch", kommentiert Warmuth trocken. "Das trainiert Kraft und Kondition."
Australierin erfand den Burkini
Wer weiß schon, dass der Ganzkörper-Anzug von einer Australierin erfunden worden ist, für Rettungsschwimmerinnen. Baywatch im Burkini? Das Internet bestätigt die Geschichte. Aheda Zanetti ist eine Designerin libanesischer Abstammung aus Sydney. Der von ihr entworfene Burka-Bikini soll es jungen Musliminnen erlauben, sich unbekümmert in die Fluten zu werfen, geschützt vor UV-Strahlen, Quallen und Blicken. Wobei am Great Barrier Reef nicht nur Barrieren zwischen den Kulturen abgebaut werden sollten, sondern eben auch Hemmungen vor dem lebenswichtigen Job als Wasserretter. Der wird an allen Stränden dieser Welt händeringend gesucht.
Auch in Schweinfurt möchte man mit der Aktion nicht nur integrieren, sondern idealerweise auch Nachwuchs für die Wasserwacht finden. Zwei junge Syrer habe man schon im Team, freut sich Warmuth, Zahir und sein Kollege kamen als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland. Betreut werden Flüchtlinge jeder Altersgruppe:"Wir wollen den Kindern das Schwimmen spielerisch vermitteln. " Nur: "Ein großes Problem ist die Sprachbarriere", sagt Schwimmtrainer Klaus Reuter, der zusammen mit Marc Brandt den Unterricht leitet: "Englisch, Deutsch, Hände und Füße", irgendwie klappt sie schon, die Verständigung, im Zweifelsfall hilft Vormachen. Beigebracht wird Kraulen, Brust- und Rückenschwimmen gleichermaßen, Seepferdchen oder Freischwimmer sind das Ziel.
Gefördert werden die Kurse durch die Oskar Soldmann-Stiftung und die Freiwilligen-Agentur GemeinSinn des Landkreises, mit dem Roten Kreuz als Träger. "Miteinander leben - Ehrenamt verbindet" nennt sich das Projekt. Koordiniert wird es durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, finanziell unterstützt vom bayerischen Sozialministerium. Agenturleiterin Karin Eberle schaut persönlich vorbei und macht sich ein Bild von den Fortschritten der Schwimm-Azubis. Mit dabei ist an diesem Tag auch Lise Steinmann, vom Helferkreis Hambach, ehrenamtliches Mitglied der ersten Stunde. Die rüstige Rentnerin fährt Lena, ein Mädchen aus Syrien, und Julietta aus Albanien, zurück in ihre Gemeinschafts-Unterkunft.
Auch wenn es in den Anfangszeiten immer wieder zu Badeunfällen mit Flüchtlingen kam: Es sind beileibe nicht nur "die Muslime", die Probleme mit dem Schwimmen haben. Die Trainer kennen gute arabische Schwimmer. Dazu soll auch der sportliche Religionsstifter Mohammed gezählt haben, Wüste hin oder her. Auch hierzulande nimmt die Schwimmfähigkeit immer mehr ab und die Zahl der Spaßbäder zu. Die Wasserwacht bietet da bereits Kurse für Kinder ab fünf Jahre an, mit intensivem Training, in der Regel zum Selbstkostenpreis. Und eben Kurse für spezielle Zielgruppen.
"Das Projekt fruchtet", ist Warmuth überzeugt, mit Blick auf die eifrig übenden Schützlinge. In diesem Jahr gab es keine Badeunfälle mit Flüchtlingen in der Region mehr. Es geht aber auch um Integration, darum, sich erhobenen Hauptes in einer unvertrauten Umgebung zu behaupten, Kontakte zu knüpfen, an Freizeitaktivitäten teilzunehmen, nicht unterzugehen, an Land wie im Wasser. Das nasse Element kennt bei Menschen ohnehin nur einen Unterschied: den zwischen Schwimmern und Nichtschwimmern.
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